Sonntag, 23. Mai 2010

Flug


Nach geschätzten 20 Flügen zwischen Salt Lake und San Francisco stumpft man ja ein wenig ab, was die fliegenden Busse angeht. Man blättert im fabulösen SkyMall Magazin, was sowas wie der Perl-Katalog für Reisende ist, während die Flugbegleiter die üblichen Hinweise runterrattern: "In the unlikely event of a water landing, you will all die horrible deaths" und mitunter kriegt man gar nicht mit, wie die Kiste beschleunigt und abhebt.

Doch manchmal ist Fliegen einfach magisch, so wie am Freitag Abend: Die Beschleunigung drückt einen in die Sitze und fast unmerklich hebt man ab und blickt über die Bucht, sieht die sich ständig ändernden Wellenmuster und schäumende Wogen. Man steigt noch höher, blinzelt in die Abendsonne und sieht die Skyline von San Francisco und Oakland an einem vorbeiziehen. Man zählt die Brücken: Bay Bridge, Golden Gate, Richmond Bridge und erahnt die sich dahinwälzenden Autokolonnen im Feierabendverkehr.

Immer noch im Steigflug, während die Sonne langsam herabsinkt und die Wolken in Vanillecreme einhüllt, genießt man den Ausblick über die Bucht, den Pazifik und die wie zerknülltes, grünes Papier aussehenden Ausläufer des Diablo Gebirgszugs.

Man erreicht 10000 Fuß und darf endlich wieder seine mitgebrachten elektronischen Geräte benutzen, aber diesmal ist der Blick nach draußen einfach zu schön. Die Wolken fangen an rosa zu leuchten, ihre Schatten malen seltsame Kreaturen auf die grün-braunen Felder des zentralen Valleys. Man sieht überschwemmte Felder (eine Seltenheit hier) und kleine Städtchen, die von Landwirtschaft und Kleinindustrie leben, sieht die schnurgeraden Kanäle, die die Kornkammer des Landes durchziehen.

Höher liegendene Wolkenschichten kündigen die Sierra Nevada an, der Gebirgszug, der sich durch fast ganz Kalifornien zieht und der Heimat einzigartiger, magischer Orte ist, wie den Yosemite Park oder Lake Taho.

Selbiger wird gerade sichtbar, sein dunkles blaugrünes Wasser lockt zur Wasserlandung, aber wir zischen drüber hinweg und tauchen ein in die Ödnis der Wüste von Nevada. Ein paar letzte Lichtstrahlen aus dem Westen, ein buntes Flackern von den Kasinos in Reno und die Dunkelheit des Nichts empfängt den Reisenden.

Unterbrochen nur von kleinen und kleinsten Flecken der Zivilisation fliegt man über Salzteppiche, karg bewachsene und felsige Täler und erahnt die Wellen von Gebirgszügen, die alle seltsamerweise gen Norden ausgerichtet sind und versucht zu verstehen, welche Gewalten diese Landschaft geformt haben.

Dann: Die Maschinen werden leiser, man spürt das leichte Abbremsen des Flugzeugs als es seine Reiseflughöhe verlässt und den Luftraum um Salt Lake betritt. Das Wetter verschlechtert sich schlagartig, Böen und Luftlöcher lassen die Adrenalinspiegel der Reisenden steigen und schütteln uns ordentlich durch. Regen setzt ein. Man sieht nur flirrende, horizontale Bindfäden, die am Flugzeug vorbeirasen. So muss Warp-Speed aussehen, wenn man seitlich aus der Enterprise guckt :)
Man stellt erstaunt fest, dass die Turbine und der Flügel trocken bleiben, während man mit null Sicht auf das Salt Lake Valley zustürzt.

Scheinbar endlose, durchgerüttelte Minuten vergehen bis man unter die Wolkendecke abtaucht und die Abermillionen Lichter von Salt Lake City unter sich sieht. Die beiden Gebirgszüge, die die Stadt umschließen sind immer noch schneebedeckt und werfen blasses Licht auf die Wolkenfetzen.

Sichtlich erleichtert setzt der Pilot butterweich auf und der Blogschreiber freut sich wieder sicher am Boden zu sein.