Montag, 27. Oktober 2008

Giftgas in Las Vegas - Letzter Teil




Der Himmel leuchtete blutrot. Das Mandalay Bay Hotel war nicht mehr zu retten. Die goldene Fassade des Hauptkomplexes war verbeult. Die Fensterscheiben platzten mit einem lauten Knall auseinander. Die Geräusche meiner Knarre hörte niemand.

Als ich Sergiy hinterher rannte erkannte ich aus den Augenwinkeln noch, wie eine brennende Tram aus dem Luxor ins Excalibur-Terminal fuhr. Kein Dirmel hatte dran gedacht die von Seilen gezogene Tram abzuschalten. Wenn das Excalibur fiel, so war es nicht mehr weit zum New York, New York und dann wird die Hölle erst recht ausbrechen (die Fassaden sind da aus schimmeligem Brot und Pappe zusammengezimmert). Die riesigen Pools der umliegenden Hotels waren schon leergepumpt und das Wasser wurde knapp für die Jungs mit den roten Helmen. Das Chaos breitete sich weiter aus und die Hitze der vielen Brandherde flimmerte über der Stadt.

Inzwischen hatte der Flüchtling sich am MGM vorbei in den mit schäbigen Buden bebauten Teil des Las Vegas Boulevards vorgearbeitet. Hier konnte man für ein paar Dollar teure Sportwagen mieten und mal so richtig die Sau rauslassen. Mit 45 Meilen die Stunde. Ha!
Sergiy rannte an den Schalter, wo in einem kleinen Kasten die Schlüssel für die Autos hingen. Er stach den Studenten hinter der Theke brutal nieder und griff sich die Schlüssel zum Porsche. (Sergiy liebte seine Messer. Er hatte sogar ein paar professionelle Keramikmesser, die er in seinen Strümpfen durch die Flughafenkontrollen schleuste.)

Der Porsche heulte auf, Reifen drehten durch, es roch nach Gummi und Sergiy versuchte durch die flüchtenden Menschenmassen zu entkommen.
Irgendwann kamen zum lauten Hupen auch noch Schmerzensschreie dazu. Körper flogen in die Luft und klatschen auf den Asphalt. Er hatte wohl die Geduld verloren und war einfach reingerast in die rennenden Touristenmassen.

Währenddessen griff ich mir die Schlüssel zum Lotus Elise und nahm die Verfolgung auf. Ich ließ den Motor aufbrüllen, drückte auf die Hupe und versuchte durch Sergiys Schneise der Verwüstung ein Durchkommen zu finden. Die Leute schlugen auf mein Auto ein, versuchten die Tür aufzureissen und mich für Sergiys Blutbad zur Rechenschaft zu ziehen.
Ich fuhr einfach weiter.
Sergiy schaltete in den zweiten Gang, hatte jetzt mehr Raum und versuchte einen Laster links zu überholen, der gerade die Spur wechselte. Als der Fahrer den heranrasenden Porsche sah, riss er das Steuer rum, um nicht mit der Karre zu kollidieren, verlor die Kontrolle über den tonnenschweren Truck und raste ungebremst in einen Stützpfeiler des kleinen Bruders des Eiffelturms. Das Ding war zwar vielleicht nur im Maßstab 2:1 des Originals gebaut, aber immer noch sehr groß und sehr schwer. Der Turm neigte sich gefährlich nach Westen und drohte die Menschen vorm Bellagio zu erschlagen. Diese hatten sich in den riesigen Pool geflüchtet, der aber gerade von der Feuerwehr angezapft wurde.

Kurz bevor der Turm fiel flutschte ich unter ihm durch und konnte Sergiy am Venetian ausmachen, wo eine improvisierte Blockade aus ein paar Bullenautos offensichtlich ein Problem machte.
Der Turm fiel krachend auf die Straße, begrub Autos und Menschen unter sich. Die Besucher auf dem Turm wurden herauskatapultiert und prallten gegen die Poolmauer. Das Wasser, was normalerweise für Staunen sorgte, wenn es in der aufwändigen Bellagio Water Show in den Himmel geschossen wird, färbte sich rot. Passend zu den Kitteln der Feuerwehrmänner, die gerade weitere Pumpen heranschleppten.

Meine Aufmerksamkeit, mein Zorn, mein Wesen konzentrierte sich nur auf Sergiy, der es geschafft hatte, ein Bullenauto zur Seite zu rammen und nach links auf die Spring Mountain Road zu kommen. Von da war es nicht mehr weit bis zur Interstate-15.
Die Bullen waren zu weit weg, um überhaupt irgendwas zu machen und die Rettung von Überlebenden aus dem Bellagio-Pool hatte wohl höhere Priorität in den Hirnen der Stadtstreife.

Ich witschte durch dieselbe Lücke in der Blockade, versuchte Boden gutzumachen und sah Sergiy auf die I-15 Richtung Norden auffahren. Hier war der Verkehr leichter und wir konnten die verrosteten 12-Zylinder mal ordentlich durchföhnen. Im wilden Zick-Zack zwischen den Spuren ging es Richtung Nord, Nord-Osten. Hinter uns das brennende Inferno, das immer weiter um sich griff. Der Strip war erstmal Geschichte und ich hoffte, dass die Bänder der Überwachungskameras auch alle draufgegangen waren.

Hinter der Apex Road wurde die Straße noch leerer. Ich konnte einige Meter gutmachen auf den rasenden, irren Ukrainer und gab ein paar Schüsse auf sein Fahrzeug ab. Scheinbar ohne Wirkung. Nach einer Weile bemerkte ich das Glitzern von Flüssigkeit auf der Straße. Ich hatte wohl seinen Tank getroffen.
Wir rasten weiter hinaus in die Wüste. Mein Tank war noch voll, seiner vermutlich bald leer.
Die Gegend hier ist praktisch unbewohnt. Hinter der Staatsgrenze zu Utah wird es noch öder. 435 Meilen bis nach Salt Lake City. Kürzer bis zu Sergiys erkaltendem Körper.

Sein Wagen wurde langsamer und stoppte. Ich stieg aus und näherte mich seinem Fahrzeug.
Ich zwang ihn auszusteigen und sich in meine Karre zu setzen.

"Wo ist mein Geld", bellte ich.
"Welches Geld meinst Du?". Der Kerl wollte auf Unschuldslamm spielen. Ich haute ihm eine rein. Seine Mundwinkel zuckten.
"Ach so, DAS Geld!", meinte er, sichtlich bemüht die Schmerzen zu unterdrücken.
"Ich hab's bei Holger unterm Sofa gelassen".
"Das ist nicht dein Ernst, Du Saftarsch!". Wieder fing er sich eine ein. Er riss die Arme hoch und fing an zu wimmern.
Holger war ein alter Arbeitskollege aus den guten Tagen. Er wohnte mittlerweile South of Market in San Francisco. Quasi bei mir um die Ecke.

"Weisst Du was, Sergiy? Ich glaube Dir."
Mit den Worten warf ich den Wagen wieder an und bog auf eine staubige Piste nach Süden ab. Laut Google-Maps gab es hier nichts mehr, außer menschenfeindlicher Natur.
Nach einigen Stunden Fahrt machte ich halt und stieß Sergiy aus dem Auto. Wir gingen noch eine paar Meter durch die trockene, verdorrte Pampa. Dann befahl ich Sergiy sich hinzuknien.
Er fing wieder an zu wimmern und zu betteln, aber ich hatte nur mein Geld im Sinn, was Holger vermutlich gerade mit vollen Händen im Westfield Center ausgab.

Ich ging ins Auto und holte meinen alten Colt Python Elite raus. Ich ließ einen Schuss drin im Revolver und warf ihn in den Sand, unweit von Sergiy, der mit dem Gesicht abgewendet zitternd im Sand kniete und auf das Unvermeidliche wartete.

Ich stieg ins Auto und fuhr weg. Den Rest würde die Wüste erledigen.

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Gute Geschichte, ABER:
Es gibt keinen Porsche mit 12 Zylindern!
SCNR

Anonym hat gesagt…

Und wo ist jetzt das Giftgas?

Abba sonschd issed net schlecht.
Man kann genau rauslesen, dass es dich schon köstlich amüsieren würde, ganz LV in Flammen aufgehen zu sehen... :))

beders hat gesagt…

Danke fürs Lesen!
Das Giftgas kam im zweiten Teil vor.
In allen Casinos ist Rauchen erlaubt und draußen rauchen die Leute auch wie blöd.
Man hat also ständig diesen fiesen Geruch von kaltem Rauch in der Nase. Echt ätzend. Für Nichtraucher ist Las Vegas nur unter Schmerzen zu empfehlen.

Was die 12 Zylinder angeht: Siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Porsche_917#Technische_Daten

:)
Aber na gut. Kein RICHTIGER 12-Zylinder.