Mittwoch, 17. September 2008

Einmal Washington und zurück

Hubschrauber kreisen über dem White House, eine Heerschar von Polizisten räumt das Regierungsviertel, Sicherheitsstufe Rot herrscht in der Stadt. Der Kongress wird evakuiert und die Airforce One steht Abflugbereit.
Ich hab den Koffer!
Ja, genau, DEN Koffer! Mit den Abschusscodes für die etwas ältliche Armada von Langstreckenraketen, die auf Ziele in Russland, im Nahen Osten, Nordkorea und Luxemburg(?!?) gerichtet sind. Und wer weiss schon was noch alles im Koffer ist!

Die Hand von George Dabbelju baumelt noch am anderen Ende der Handschellen. Die Albaner haben schon angefragt und wollen 100 Riesen dafür hinblättern. Das geht noch besser.

Ich jage durch die Abwasserkanäle von D.C.
Die zwei armen Tölpel vom Secret Service, wahrscheinlich strafversetzt nach "ungebührlichem" Verhalten in den Privaträumen von Mrs. Bush, die hier in der stinkenden Brühe Patrouille laufen mussten, liegen jetzt mit dem Gesicht nach unten in selbiger.
Blut und Hirnmasse vermischt sich mit den bräunlichen Hinterlassenschaften der 3000 Mitarbeiter im Weißen Haus.
Die meisten davon sind jetzt hinter mir her oder hocken verängstigt unter ihren Bürotischen.
Wie leicht doch gelbfarbiges Gas Leute aus der Ruhe bringen kann. Geklaut aus Theaterbeständen. Dante's Inferno in Yorkville's Stadttheater wird heute etwas rötlicher ausfallen.

Das war viel zu einfach, denke ich mir, biege im vollen Galopp um die nächste Ecke und rassele in ein Absperrgitter. Der Koffer prallt gegen mich, Georgies Hans baumelt lustig umher.
Ich hab doch da noch ein Krümelchen C4 und Zünder...

Die Explosion ist nicht zu überhören. Hundegebell, Polizeisirenen, schnelle Schritte auf schlecht gewartetem Asphalt verfolgen mich bis zum nächsten Zusammenfluss der immer größer werdenden Abwasserschächte.

Tief unterhalb der Hauptstadt fließen die großen Dreckwasser-Ströme zusammen. Tausende Kubikmeter von Abwässern sammeln sich in großen Tavernen, werden gefiltert, laufen über und versickern, laufen in den Potomac River.

Ein riesiges Labyrinth, kaum abzusichern und genau, was ich brauche.
Ich denke an Descent, den alten Spieleklassiker, der Navigation durch verwinkelte Gewölbe zur Kunst erhob. Leider hab ich nicht den pfeilschnellen Gleiter von damals.
Aber dafür hab ich das Wasser. Ich folge dem Hauptstrom, höre bereits das Rauschen des Überlaufmechanismus zum Potomac.
Kanaldeckel öffnen sich über mir, die messerscharfen Lichstrahlen von Taschenlampen verlieren sich in der dampfenden und nass-kalten Unterwelt, defokussieren zu früh um mich zu entdecken.

Die Jungs sind gut! Muss CIA sein. Der Secret Service versucht mich wahrscheinlich immer noch auf dem Gelände ums White House aufzuspüren. Der Potomac ruft. Mein Kontaktmann wartet mit dem Boot. Ich setze die Taucherbrille auf, beisse in das Mundstück und ignoriere den bitteren Beigeschmack des Brackwassers.

Tauchen. Der Koffer zickt rum (ist der wasserdicht?). Die Strömung erfasst mich, wirft mich an die Wände und zieht mich runter zum Fluss. Die Unterwelt entlässt mich mit einem nassen Rülpser in den Potomac. Ich muss an Dante denken. Polizeiboote auf dem Wasser, noch mehr Lichstrahlen, die über die Wellen tanzen.

Ich gebe das Signal an Sergiy, der sein Boot am Pier auf der anderen Seite vertaut hat. Schon wieder rechts und links verwechselt, der Kerl. Ich schwimme vorsichtig in seine Richtung. Warum ist der Dreckskoffer silbrig glänzend? Grrr.
Doch Sergiy ist schnell und hievt mich sicher an Bord.
Schnelle Patrouillenboote haben uns vermutlich schon auf dem Radar. Zeit, Land zu gewinnen. In dem Fall, Wasser.
Ich muss den United-Flug nach San Francisco kriegen...





Na gut, so spannend war es doch nicht bei meinem ersten Ostküsten-Einsatz: Ab nach Dulles Airport, ins Hotel, lecker gegessen, den nächsten Tag 6 Stunden mit 20 Leuten in einem Büro verbracht, kurz was essen, ab in den Flieger zurück nach SF und wieder gedacht, wie scheiss groß doch der Kontinent ist.

Unten sieht man übrigens die bizarren Shuttles, die man auf dem Dulles Airport einsetzt um Passagiere zu den Gates zu bringen.

Wer es bis hierhin mit dem Lesen geschafft hat, wird noch belohnt mit einem Link zu den Fotos, die Nina bisher gemacht hat.

2 Kommentare:

Stü hat gesagt…

Kann es sein, dass du zu viele Hollywoodfilme guckst? :)

Anonym hat gesagt…

Lieber Bruder,

ich weiß ja nicht, was für Pilze in den Wäldern um SF wachsen, aber das nächste Mal würde ich sie an deiner Stelle vor dem Verzehr einem Spezialisten zeigen....

Grüße übern Teich,
K.